Pressemeldung - 30.11.2016
Berlin. Klimaschutz im Gebäudebereich und bezahlbares Wohnen sind in Deutschland in den vergangenen Jahren immer mehr zu Gegensätzen geworden. Vermieter und Mieter befinden sich in einem bislang ungelösten Dilemma: Um das ambitionierte Klimaschutzziel der Bundesregierung eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 zu erreichen, sind umfangreiche energetische Modernisierungsmaßnahmen an Gebäuden notwendig, die zu immer höheren Sanierungskosten und steigenden Mieten führen. Die Mehrbelastungen lassen sich jedoch weder für Vermieter noch für Mieter durch höhere Mieten oder eingesparte Energiekosten refinanzieren.
„Mehr Klimaschutz und höhere Energieeffizienz durch immer höhere Anforderungen an die Modernisierung von Gebäuden – die Umsetzung dieses Vorhabens stößt zunehmend an ihre wirtschaftlichen und sozialen Grenzen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, sanieren wir uns die letzten günstigen Wohnungsbestände systematisch weg“, erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, eines der Allianz-Gründungsmitglieder.
Hinzu kommt: Trotz der enormen Anstrengungen der Wohnungsunternehmen, die bereits mehr als zwei Drittel ihrer Bestände seit 1990 energetisch modernisiert haben, werden die Energieeinsparungen bei einem einfachen „Weiter so“ nicht ganz ausreichen, um das 2020-Ziel einer Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden um 20 Prozent zu erreichen. Immer neue Anforderungen, die an den Gebäudebereich beispielsweise durch den neuen Klimaschutzplan der Bundesregierung im Bereich der CO₂-Einsparung gestellt werden, tun ihr Übriges dazu, dass die Bezahlbarkeit des Klimaschutzes beim Wohnen an ihre Grenzen stößt.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma weist die neue bundesweite „Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand“, zu der sich 11 Unternehmen und Institutionen aus Wohnungswirtschaft, Industrie und Forschung zusammengeschlossen haben: Ein Schlüssel für bezahlbaren Klimaschutz bei Wohngebäuden liegt nach Überzeugung der Allianzmitglieder in einer Effizienzsteigerung bei der Wärmeversorgung von Gebäuden. Neben den Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle müsse insbesondere die technische Infrastruktur von Gebäuden durch Maßnahmen mit einem hohen Kosten-Nutzen-Effekt verbessert werden. Hier handele es sich um nicht genutzte Effizienzpotenziale, die zu relativ geringen Kosten gehoben werden können.
„Noch mehr Energieeffizienz bei Wohngebäuden ohne Überbelastung von Vermietern und Mietern geht nur, wenn Bauherren und Immobilieneigentümer auf einen kosteneffizienten, technologieoffenen Maßnahmenmix zurückgreifen können. Statt wie bisher nur die teuersten Maßnahmen müssen diejenigen mit dem besten Kosten-Nutzen-Effekt von der Politik stärker adressiert werden“, betonte der GdW-Präsident.
Die Allianz setzt sich für einen kostenoptimierten, technologieoffenen Maßnahmenmix für klimaneutrales Wohnen ein. Den ersten wichtigen Auftakt dazu macht sie mit der bislang größten wissenschaftlichen Untersuchung gängiger Energieeffizienzmaßnahmen für Wohngebäude in einem eigens durchgeführten, praxisnahen Forschungsprojekt. Dabei werden deutschlandweit in über 500 Mehrfamilienhäusern verschiedene Technologien auf ihre Einspareffekte hin untersucht. „Die Forschungsergebnisse sollen zeigen, welche Maßnahmen gemessen an der notwendigen Investition besonders hohe Einspareffekte bringen“, so Professor Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, der die Professur für Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School – University of Applied Sciences innehat und das Forschungsprojekt leitet. „Wir erhalten damit Erkenntnisse in einer Breite und Tiefe, die bisher einzigartig sein wird.“ Neben der EBZ Business School ist als weiteres renommiertes Forschungsinstitut auch die Technische Universität Dresden mit der Professur für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung unter Leitung von Prof. Clemens Felsmann an dem Pilotvorhaben beteiligt.
Im Rahmen des Forschungsprojektes sind eine Datenanalyse bereits durchgeführter Sanierungsmaßnahmen, eine Studie zu Möglichkeiten der Effizienzsteigerung von Heizkesseln sowie eine Pilotstudie geplant, bei der verschiedene technische Maßnahmen im praktischen Einsatz untersucht werden. Dazu zählen sowohl die Optimierung der Wärmeverteilung im Gebäude, wie etwa der hydraulische Abgleich, als auch die Unterstützung der Bewohner bei möglichst sparsamen Heizverhalten. Dazu kommen programmierbare Heizkörperthermostate, eine mobile Steuerung der Heizkörper über vernetzte Technik, mehr und zeitnahe Informationen zum Wärmeverbrauch und Lüftungsassistenten zum Einsatz. „Ich bin überzeugt, dass man mit solchen Maßnahmen für weniger als zehn Euro pro Quadratmeter Wohnfläche viel Energie einsparen und damit bis zu 15 Prozent CO₂ zusätzlich vermeiden kann“, sagt Frank Hyldmar, Geschäftsführer des Allianzgründungsmitglieds Techem. „Außerdem bedeuten sie in vielen Fällen einen Komfortgewinn für die Bewohner.“
Immobilienbesitzer und Bauherren müssen, so die Überzeugung der Allianzpartner, zukünftig die Wahl aus einem deutlich größeren Maßnahmenkatalog haben, als dies der aktuelle rechtliche Rahmen zulässt. Es dürfe dabei keine Vorgaben oder Zwänge zu einzelnen Maßnahmen geben, sondern müsse dem Immobilienverantwortlichen überlassen bleiben, wie der Energiebedarf eines Gebäudes
bis zum gewünschten Maß verringert wird. Die Verbesserung der baulichen Hülle, der Austausch des Wärmeerzeugers und Maßnahmen zur Verbesserung des Verteilsystems und des Nutzerverhaltens müssen dabei gleichberechtigt nebeneinander stehen. „Das bietet die Möglichkeit, den Maßnahmenmix an die jeweilige Situation im Gebäude anzupassen und so Kosten und Nutzen der Maßnahmen jeweils abwägen zu können“, so Uwe Glock, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch Thermotechnik, ebenfalls Gründungsmitglied der Allianz. „Nur mit einem technologieoffenen Maßnahmenmix auf der einen Seite und stärkerem Einsatz regenerativer Energiequellen auf der anderen Seite lässt sich ein klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 erreichen, ohne Wohnungswirtschaft und Mieter über Gebühr finanziell zu belasten.“
Mitglieder der Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand sind der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die Firmen Vonovia, LEG, DOGEWO21, Spar- und Bauverein eG Dortmund, Danfoss, Techem, Bosch Thermotechnik, ista, sowie die EBZ Business School – University of Applied Sciences mit der Professur für Energiefragen der Immobilienwirtschaft und die Professur für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung der Technischen Universität Dresden.